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10.Tag - Mittwoch, 30. August 1995

Der Campingplatz in Montorfano ist nicht nur weitgehend frei von deutschen Wohnwagentouris, sondern obendrein mit 10.000 Lire auch noch recht preiswert, was meiner zu Ende gehenden Reisekasse äußerst gut tut. Schwimmen tue ich auch heute morgen nicht, denn ich will ja heute noch in Locarno ankommen, wo ich morgen hoffentlich das von meiner Mutter geschickte Geld in Empfang nehmen kann. Ich mache mich also zeitig auf den Weg und fahre mal wieder zuerst an einem Supermarkt vorbei, um meine Vorräte aufzufüllen. Manch einer mag sich fragen, wie man eigentlich solche Einkäufe tätigt, bei der man das Fahrrad länger als 10 Minuten unbeaufsichtigt lassen muss. Ich habe, ehrlich gesagt, nie großartig darüber nachgedacht. Alles wichtige, wie Papiere, Fotoapparat und Geld, habe ich in meiner Lenkertasche, die ich in solchen Situationen immer abnehme und mitnehme. das Fahrrad selber schließe ich mit einem 15-Marks-Schloß ab, und das Gepäck bleibt einfach so, wie es ist. Mir ist dabei noch nie etwas abhanden gekommen. Vermutlich denken sich potenziell Kriminelle auch, dass ich wohl kaum viele Wertsachen dabei habe. Daß meine Packtaschen von Ortlieb schon an sich einen nicht unbeträchtlichen Wert darstellen, darüber denkt man in solchen Situationen besser gar nicht nach, sonst kann man sich nämlich prima den Radurlaub versauen lassen.

Der Lago di Lugano bei ungemütlichem Wetter
Bei wechselhaftem Wetter und stürmischem Wind konnten mich selbst die Wellen auf dem kleinen Lago di Lugano noch beeindrucken.

Nachdem es mich einiges an Mühe kostet, mich zwischen Autos aus Como Richtung Westen herauszubewegen, bewege ich mich bald wieder auf ruhigeren Straßen. Durch eine mittelgebirgsartige Landschaft geht es auf kleinen Sträßchen Richtung Luganer See. Ein kleiner Zipfel der Südschweiz streckt sich hier zwischen Lago di Como und Lago di Lugano weit nach Süden; diesen muss ich quasi umkurven, da ich nicht vorhabe. die Grenze öfter als nötig zu überqueren. Die Orte, die ich durchquere, tragen typisch italienische Namen wie Cvallasca, Drezzo, Uggiate oder gar Casanova. An einer kleinen Steigung halte ich kurz an und werfe einen Blick zum Himmel. Wolken sind aufgezogen, und zwar diese Art von hohen Wolken, die eine drohende Wetterverschlechterung ankündigen. Während die Wolken dichter werden, bleibt es aber trocken. Wenn auch nicht windstill: Die gelegentlichen Böen, die mit beim Radfahren einiges an Konzentration abverlagen, haben sich bis zum Südufer des Lago di Lugano zu einem ordentlichen Sturm zusammengetan. Dennoch mache ich hier Mittagspause, da ich mittlerweile ziemlichen Hunger habe. Da nehme ich es auch in Kauf, dass ich ein langärmeliges Shirt anziehen muss, da die Temperaturen hier deutlich niedriger liegen als am Gardasee. Aber da es trocken bleibt, läßt es sich trotzdem ganz gut aushalten, und als ich am Südwestufer des Lago di Lugano weiterfahre, kommt auch die Sonne schon wieder hervor.

Der Lago die Lugano fließt am Westende, wo sich Italien und die Schweiz treffen, in einen Bach ab, welcher ihn mit dem Lago Maggiore verbindet. An dessen Ufer führt eine malerische Straße durch ein bewaldetes Tal. Dank des geringen Verkehrs und der Tatsache, dass es leicht bergab geht, läßt sich hier prima Radfahren.

Zwischen Lago di Lugano und Lago Maggiore
Eine ruhige, malerische Landstraße verbindet den Lago di Lugano mit dem Lago Maggiore

Etwas weniger angenehm wird es dann, als ich nahe der Stadt Luino endlich am Lago Maggiore eintreffe. Es ist zwar mittlerweile wieder sonnig, aber ein kalter Wind weht aus Nordosten über den See. Da das für mich auch Gegenwind heißt, wird es mir beim Fahren dann allerdings doch wieder recht warm. Eine weitere unangenehme Überraschung erwartet mich an der Grenze in die Schweiz. Ich werde zwar nicht kontrolliert, aber der Wechselkurs sorgt dafür, dass sich die letzten Lire in meiner Reisekasse beinahe in Wohlgefallen auflösen. "Naja, für den Campingplatz wird's noch reichen" sage ich mir.

Jener Campingplatz wartet am Nordostzipfel des Lago Maggiore, wo ich von der Hauptstraße, welche weiter flußaufwärts in ein Riviera genanntes Tal führt, nach links in eine kleine Nebenstraße einbiege. Noch bevor ich den Ort Tenero, ein Vorort von Locarno, erreiche, liegt linkerhand der Platz mit dem einfallsreichen Namen "Campeggio Lago Maggiore". Und diesmal habe ich das Glück, dass der erste Campingplatz auch noch recht schön ist. Er ist zwar nicht unbedingt auf Zweiradtouristen ausgelegt, was sich durch die überwiegend Wohnwagen-geeigneten Stellplätze offenbart, aber dafür ist die Saison hier wohl schon mehr oder weniger vorbei und es ist dementsprechend ruhig. Die Anmeldung erfolgt am Computer, und die Tatsache, dass man Motorräder am Eingang parken muss, ärgert mich zwar, bereitet mir aber dank meines heutigen Verkehrsmittels keine schlaflose Nacht.

Der Campingplatz hat sogar einen eigenen Strand. Zum Schwimmen vergeht mir allerdings die Lust, nachdem ich einen Fuß ins Wasser stecke: Es ist eiskalt. Eine Unterhaltung mit einem anderen Camper am späteren Abend offenbart dann auch, dass hier seit einigen Tagen ein kalter Nordwind weht, der das Wasser wohl ziemlich effektiv umgewälzt und damit an der Oberfläche abgekühlt hat. Nach dem Abendessen verbringe ich den Rest des Abends mit so sinnvollen Dingen wie Duschen, Lesen und Tagebuch schreiben, bevor ich mich noch ein wenig an den Strand setze, um meinen Gedanken nachzuhängen, und mich irgendwann ziemlich müde in meinen Schlafsack verkrieche.